Donnerstag, 26. Februar 2015

ZehnGrammLeben - #3 Der Café Latte des Egoismus

Es ist es ja schon schwer genug geworden, sich im nächstgelegen Coffee – Shop für einen Kaffee zu entscheiden, bietet einem doch die stets nette Verkäuferin neben Kaffe, noch Latte und Cappuccino an, „to go“ oder „to hier drink“, mit Sojamilch und entkoffeiniert oder wahlweiße mit Haselnuss-, Vanille-, Karamell-, Macadamianuss- oder Sonnenbankflavour. Und dann wird von uns auch noch verlangt, dass wir uns genau für eine Sache entscheiden, und das innerhalb von 10 Sekunden, denn schließlich wartet schon der nächste Kunde direkt hinter einem. Und während man überlegt, ob man jetzt einen Soja Latte Macchiato mit Vanillearoma und extra Schaum will, oder doch nur einen Milchkaffee, wäre es optimal sich gleich noch für eine politische Partei zu entscheiden, Bafög zu beantragen, im Englischen Garten zu laufen, und für die Prüfungen lernen. 




Gut vielleicht nicht alles auf einmal, schließlich kaufe ich mir den Kaffee ja genau zu dem Zweck, um endlich mal eine Pause zu machen. Doch scheint es so, als sei momentan keine Zeit mehr dafür, so egoistisch zu sein, wie wir gerne wollten. Schließlich muss ich doch bedenken, welche Konsequenzen meine fortreichenden Handlungen haben, und sei es nur ein kleiner Besuch im Coffeeshop. Jeder weiß, dass diese Überlegung eigentlich Quatsch ist, doch wenn ich genau in dem Moment, in dem ich eigentlich nichts mache, nur noch daran denken kann, was ich eigentlich machen sollte, läuft doch irgendwas falsch. 

Sind wir also dazu verdammt, unser jetziges Leben generell als zu langweilig anzusehen, und sich in den Alltag unserer Mitmenschen zu verlieben? 

Man ertappt sich doch ständig bei dem Gedanken, wie geil es doch wäre, so zielstrebig wie der Nachbar, so sportlich wie der Cousin oder manchmal auch so faul wie sein Sitznachbar zu sein. Gleichbedeutend mit der Frage, warum ich denn so bin wie ich bin, und wie ich das schnellstens ändern kann. Vor allem dann, wenn man eigentlich sowieso nicht weiß was man in Zukunft machen will, und plötzlich das Leben anderer ganz attraktiv und erstrebenswert erscheint, weil die zahlreichen Wahlmöglichkeiten die ich habe, mich zu sehr verwirren. Es ist doch deswegen vollkommen legitim, dass ich aus Überforderung deswegen kurz „Copy and Paste“ drücke, und mir meine eigene Gegenwart „guttenberge“.

 Das Problem an der ganzen Sache ist, dass man davon schnell ermüdet, weil man sehr bald feststellt, dass die gewählten alternativen Lebensweisen – im wahrsten Sinne des Wortes – doch gar nicht zu einem passen. Ich muss nicht Slacklinen weil’s grad so cool ist oder reisen, obwohl ich Flugangst habe. Und außerdem, denkt sich der Nachbar, der Cousin oder der Sitznachbar genau das Gleiche, und wünscht sich gerade selber eine viel krass tollere Persönlichkeit. 
 Irgendwann kommt man dann zu den Punkt an dem man dann alles voll scheiße findet, was andere machen, obwohl man es eigentlich voll geil findet, und nur deswegen scheiße findet, weil man es selber nicht macht. Vielleicht ist das aber genau dann der Zeitpunkt, an dem man einfach mal egoistisch sein sollte, ohne drauf zu achten, wie es nach außen wirkt. Und ja, man steht immer noch vor zahlreichen Weggabelungen voll unbegrenzter Möglichkeiten, die man einschlagen könnte. Aber verdammt, ich geh einfach nächstes Mal in den Coffee Shop und bestell mir einen „Chai Latte Grande special flavour mit Zimtpulver“, weil ich einfach gerade Bock drauf habe. 




 Es mag zwar banal sein, aber wenn ich nicht einmal aus freien Stücken einen Kaffee bestellen kann, wie soll ich dann selbstständig durch mein Leben gehen? Und auch wenn ich mich wieder dabei ertappe, die Arbeit der stets netten Bedienung als erstrebenswert anzusehen, kann ich trotzdem zufrieden durch die Straße gehen. Denn sie wünscht mich wahrscheinlich gerade zum Teufel, weil der „Chai Latte Grande special flavour mit Zimtpulver“ so viel Arbeit gemacht hat. Aber hey, wenn sie mir schon so viele Möglichkeiten anbieten, dann sind sie selber schuld. Und außerdem, habe ich einen „Chai Latte Grande special flavour mit Zimtpulver“ und sie nicht. Also passt auf, euer nächster Kaffee könnte Spuren von Zufriedenheit enthalten.

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