Freitag, 20. März 2015

ZehnGrammLeben - #6 Rocky Horror Show


Donnerstag, 19. März 2015 um ca. 21 Uhr. Über mich regnet es gerade Konfetti. Mein Herz pocht ob der Verschmelzung aus Licht und Akustik. Der Mann vor mir hat ein schwarzes Sacko an, zumindest vermute ich das hinter den bunten Papierschnipseln. Ich schau auf meinen Füßen hinab und von dem tiefroten Samtteppich des Deutschen Theaters in München ist kaum mehr etwas zu erkennen. Stattdessen zieren ein Hut aus Zeitungspapier, Toilettenpapier und eben ein Meer aus Konfetti den Boden. Dies alles kann nur eines bedeuten: Ich befinde mich gerade in der Rocky Horror Show! Mittendrin statt nur dabei. Erst einmal aber die Sitze verlassen, Füße vertreten und Konfetti abschütteln. Unsere Nachbarn schauen uns mit einem schelmischen Grinsen an und loben uns mit voller Bewunderung: „Ganz schön gut ausgerüstet!“. Und dabei ahnen Sie nicht, was noch in der 2. Hälfte auf sie zukommen wird bei dieser ach so wunderbar verrückten Bühnenshow über Horror, Menschenversuche, Nazis und Transvestiten. 





Ich bin weiß Gott kein großer Fan von Musicals. Diese Überinszenierung aus Glitzerkostümen, endlosen Sologesangspassagen, Pathos und Stummfilm-Gedächtnis-Gestiken überreizen oftmals nicht nur meine sämtlichen Sinne sondern auch meine Geduld. Wieso zur Hölle redet ihr nicht einfach miteinander anstatt zu singen? Dass dieses Denken überaus naiv ist, gebe ich gerne zu. Schließlich wurde ich gestern eines besseren belehrt. Richard O’Briens Musical ist Kunst um der Kunst willen, Musik um der Musik willen und Inszenierung um der Inszenierung willen. Und diese drei Aspekte zusammen lösen in dem Zuschauer eine Euphorie aus, welche eine West Side Story nie entfachen könnte. Der skandalöse Fakt, dass die Rocky Horror Show bei der Uraufführung in den 70ern am Broadway und bei den Tony Awards fast komplett übergangen wurde, zeigt letztendlich nur, wie weit die Darstellung seiner Zeit voraus war. Männer in Strapsen, Aliens mit Laserkanonen, angedeuteter Oralsex auf der Bühne und stets eine Prise Selbstironie verstören und unterhalten bei dieser cineastischen Persiflage gleichermaßen. Getreu dem Opening Song: Science Fiction / Double Feature






Um was es in der Rocky Horror Show letztendlich genau ging, haben wir auch nach längerer Diskussion immer noch nicht so wirklich verstanden, aber dafür gibt es schließlich ja Wikipedia. Und wem stört es, machte doch die extravagante, unterhaltsame und zum mitmachen einladende Inszenierung all das wett. Die Interaktion mit dem Publikum und das zeitweise Durchbrechen der vierten Wand reißt sogar den größten Musical-Muffel aus dem gepolsterten Sessel der Gleichgültigkeit. Ganz zu schweigen von der schier nie enden wollenden Ausdauer und Lust am Spiel der Akteure, auch wenn zumindest mir diese Übermenschlichkeit aus Tanz, Gesang, Schauspiel und gutem Aussehen der Musicaldarsteller Ehrfurcht einflößt. Ich komm aber nicht umher meinen überaus schicken Zeitungshut vor dieser grandiosen Leistung zu ziehen. 





Um 22:30 Uhr verlassen wir schließlich die Show. Immer noch mit Konfetti im Haar und mit Tou Tou Tou Tou Tou Tou Touch Me im Ohr. Wir waren uns alle einig, dass wir noch nie etwas Vergleichbares erlebt hatten und tanzten gleichzeitig weiter die Choreografie zu Time Warp. Es ist schließlich just a jump to the left ... and then a step to riiiiiight! Ich kann euch nur alle raten, nehmt die Möglichkeit war die Rocky Horror Show einmal live zu erleben. Wann und wo auch immer. Die Münchner haben zumindest die Chance jeden Freitag und Samstag Abend den Film im Museum Lichtspiele zu bestaunen. Wir werden diese Möglichkeit definitiv irgendwann wahrnehmen. 

Let’s do the time warp again!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen